Die Erzählcafé-Aktion

zuhören | sich austauschen | voneinander lernen

Immer der Sehnsucht nach

Nachdem Maria erfahren hat, dass sie schwanger ist, bricht sie auf und läuft durch ein Gebirge, um ihre Cousine zu besuchen. Es ist ein steiniger Weg, den sie ganz alleine geht, immer der Sehnsucht nach. Aber so sucht sie sich letztlich Unterstützung, bei einer fernen Verwandten aus ihrer eigenen Familie. Eine Frau erzählte mir, wie für sie Jahre später ein Satz den Maria in eben diesem wunderbaren Text sagt (eigentlich ein Lied, das Magnifikat wird es genannt) ihr ein Schlüssel und Bild wurde: «Maria kann von sich sagen: «Gott hat Grosses an mir getan». Das verstehe ich jetzt. Das muss man echt so erleben, es ist so unglaublich, wenn man ein Kind geschenkt bekommt.» Für sie wurde dieses Bildwort aus dem Lukastext ein Schlüssel, um der eigenen Erfahrung einen Rahmen zu geben. Manches versteht man eben erst langsam und im Rückblick auch neu und anders. Sprachbilder helfen dabei.

Für mich birgt diese Geschichte aktuell noch ein anderes heilsames Bild. Die Schwangerschaft ist eine Lehrzeit. Und sie ist erst der Anfang!

Heute ist mein ältester Sohn 11 Jahre alt. Und wir hatten vor Weihnachten zusammen Corona. Wir waren beide in der Isolation und mussten uns danach wieder herauskämpfen. Mir scheint, die Lehrzeit hört nie auf. Im Moment muss ich lernen, dass meine wichtigste Aufgabe nicht mehr das Erziehen, sondern die Be-ziehung ist. Ich muss lernen, dass ich nicht alles richtig machen kann. Ich muss lernen, dass nun mein Sohn langsam, aber stetig in dieses Gebirge aufbricht, um seinen eigenen Weg zu suchen – immer seiner Sehnsucht nach. Und ich merke, wie sehr dieses Thema viele andere Mütter beschäftigt. Dieses Thema? Welches genau? Nun, das Aufbrechen der jungen Menschen in Zeiten von Corona. Das bedeutet nämlich, nicht mehr einfach Fussballspielen zu können, sondern mit Mundschutz im Klassenzimmer und beim Spielen auf dem Pausenplatz zu sein. Es bedeutet auch, dass die digitale Welt auf einmal sehr real wird – und das macht mir Angst. Wie viel digital müssen die Kinder können, für die Welt – wie sie am Entstehen ist? Was macht diese Zeit mit unseren Kindern und wie können wir sie schützen? Eine Mutter erzählte davon, dass sie Angst hat, ihre ebenfalls 11jährige Tochter würde langsam in eine Art depressive Phase rutschen.

Ich gebe zu, es hat mich erst mal erleichtert – nicht nur mein Sohn ringt mit dieser Situation.
Das Thema, das beschäftigt ist nämlich auch, die Rolle als Mutter und Vater. Es ist nie fertig. Ganz ehrlich, seitdem ich von meinen schlaflosen Nächten erzähle, höre ich von ähnlichen Erfahrungen.

Als Mütter – und Väter – brauchen wir Unterstützung. Ob nun von einer fernen Verwandten, aus literarischen Texten oder im Austausch untereinander. Ich muss meinen Weg als Mutter durch das Gebirge finden, ebenso wie mein Sohn seinen Weg ins Leben.