Birthstory:
Drei Geburten ab 1962: Teil 3
Birthstories - Geburtsgeschichten
Geburtsgeschichten sind so vielfältig und spannend, wie das Leben selbst. Als Erfahrungspool für Eltern, zum Nachlesen für Forschende und als innovative Fortbildung von Fachpersonen sammeln wir Eure "Birthstories". Dazu gehört auch, was an den vielen Cafétischen quer durch Europa erzählt wurde .
Zum Nachlesen und Weiterdenken
Drei Geburten ab 1962: Teil 3
"Musik in meinen Ohren"
Nachdem ich fast 1 1/2 Jahre lang die Pille brav, zuverlässig und erfolgreich geschluckt hatte, fand ich, dass es langsam Zeit für ein drittes Kind wurde und setzte die Pille ab.
Mein Mann, der auch gerne viele Kinder haben wollte, war absolut einverstanden- und so machten wir uns bereit, noch einmal Eltern zu werden. Allerdings war ich enttäuscht als die Monate ins Land gingen und nichts passierte - das hatten wir bisher ja ganz anders erlebt. Also marschierte ich nach einem Vierteljahr zu unserem Hausarzt und brachte meine Beschwerde vor. Der Arzt amüsierte sich königlich über mich: "Wie lange probieren Sie? Ein Vierteljahr? Andere versuchen es vergeblich jahrelang! Also mal immer mit der Ruhe - das wird schon!" Und tatsächlich - es wurde! Nur wenig später wurde mir klar: Ich war wieder schwanger.
Es stand aber zunächst noch ein Umzug nach Hamburg an, wohin mein Mann versetzt war. Und so fand diese dritte Schwangerschaft ebenso wie die dritte Entbindung diesmal in großstädtischem Rahmen und unter modernen Bedingungen statt. Ich fand schnell eine kompetente Frauenärztin und sie bestätigte bei jedem meiner Besuche, dass alles in bester Ordnung war. Und wieder hatte ich das Glück, dass ich mich die ganze Zeit pudelwohl fühlte.
Bei der letzten Untersuchung vier Wochen vor dem errechneten Termin stellte die Ärztin fest, dass das Kind sich noch nicht gedreht hatte sondern in Steißlage verharrte. Sie beruhigte mich aber insofern, dass sich das eventuell noch ändern könnte, und wenn nicht, dann könne man das Kind während der Geburt drehen. Ich sah also der Entbindung gelassen entgegen. Der 11. März war ein Freitag, und wieder eine gute Woche vor dem errechneten Termin setzten morgens die Wehen ein. Zwar fühlte ich mich durchaus als routinierte Gebärende, aber das mit der Steißlage war mir doch nicht ganz geheuer. Und so bat ich meinen Mann, mich schon in die Klinik zu fahren, obwohl mir klar war, dass es bis zum Ende noch recht lange dauern konnte. Aber ich wollte auf Nummer Sicher gehen. Die Hebamme untersuchte mich, und als sie erklärte, dass das Köpfchen jetzt, wie es sich gehörte, im Becken war, das Kind sich also gedreht hatte, fuhren wir erst einmal wieder beruhigt nach Hause.
Mein Ehrgeiz war es, an diesem Tag noch alles zu erledigen und in Ordnung zu bringen, was meiner Meinung nach unbedingt getan werden musste. Also ging ich zuerst einmal zu einer Telefonzelle, um meine Mutter zu alarmieren, die sich inzwischen ein Telefon zugelegt hatte (wieder einmal wollte sie eigentlich erst eine Woche später kommen) , danach putzte ich das Treppenhaus (ich hatte in unserem Mietshaus Kehrwoche und wollte alles picobello hinterlassen, wenn ich jetzt in die Klinik ging), wusch sämtliche gesammelte Wäsche in der Maschine (die hatten wir uns inzwischen geleistet) und hängte sie auf die Leine, kochte Mittagessen für die Kinder, legte sie zum Mittagsschlaf hin und ruhte mich anschließend selbst ein bisschen aus. Danach stand ein Besuch des Spielplatzes auf dem Programm, das hatte ich den Kindern am Tag zuvor versprochen. Gegen Abend merkte ich dann schon, dass die Zeit allmählich drängte, aber zuerst mussten die Kinder noch ins Bett gebracht werden, denn ich hatte ja niemanden, der sie so lange hätte betreuen können. Als das alles getan war und ich mich gerade noch einen Moment hinsetzen wollte, platzte die Fruchtblase und wir brachen eilig auf - immerhin war bis zur Klinik eine halbe Stunde Autofahrt zu absolvieren. Die Wehen kamen jetzt in sehr kurzen Abständen und ich irritierte meinen Mann damit, dass ich zwar jammerte, aber dabei immerzu sagte:"Nicht drum kümmern! Fahr einfach!"
Im Krankenhaus angekommen, trafen wir die Hebamme, die mich morgens untersucht hatte, praktisch schon auf dem Heimweg an, es war Schichtwechsel. Sie trug schon ihren Mantel, zog ihn aber noch einmal aus und untersuchte mich erneut. Und es klang wie Musik in meinen Ohren, als sie sagte:"Ach, das mach ich noch schnell bevor ich gehe".
Mein Mann wurde ins Wartezimmer gesetzt, ich auf eine Liege platziert und dann ging es Schlag auf Schlag. Zwanzig Minuten später war unser Christof geboren. Mein Mann hatte sich gerade häuslich eingerichtet und einige Arbeitspapiere um sich verbreitet, da kam auch schon eine Schwester zu ihm und lud ihn ein, seinen Sohn zu besichtigen. Er war absolut begeistert und meinte, der Kleine sähe aus wie ein sehr gelehrter Professor. Klar, so kurz nach den Entbindung hatte er noch keines seiner Kinder zu sehen bekommen, die ganzen Quetschungen und Verfärbungen und Schwellungen durch die Geburt waren noch nicht zu sehen, und so war der kleine Mann wirklich eine Augenweide. Das sah dann am nächsten Tag, als der junge Vater seinen Sohn erneut bewundern wollte, schon anders aus, und zwar so anders, dass er meinte, man hätte das Kind vertauscht. Aber die Ähnlichkeit mit ihm ließ diese Interpretation absolut nicht zu.
Als ich mit dem neuen Erdenbürger eine Woche später zu Hause war, erkannte ich schnell, dass es ein großer Unterschied war, nur zwei etwa Gleichaltrige zu versorgen oder zusätzlich auch noch einen Säugling. Jedenfalls fühlte ich mich voll ausgelastet und gab die Idee endgültig auf, unbedingt mindestens fünf Kinder in die Welt setzen zu wollen. Und über die Jahre zeigte sich, dass das eine sehr gute Entscheidung war, der sich - der Pille sei Dank - auch gut durchhalten ließ. Meine Kinder und nun meine sechs Enkel sind die absolute Freude meines Lebens - aber trotzdem: Drei sind genug!