Die Erzählcafé-Aktion

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Gedanken einer Großmutter

Gedanken einer Omi zur Hausgeburt Oktober 2020

Wie fang ich denn an? Lisa, die unglaublich nette authentische Hebamme meiner Tochter, fragte mich, ob ich nicht eine kleine Geschichte aus Omi- Sicht schreiben möchte. Dies mache ich mit großer Freude, auch, um so vielleicht noch einmal ein Dankeschön formulieren zu dürfen. Denn ich hatte das große Glück, während der Geburt meines zweiten Enkelkindes die kleine Familie begleiten und unterstützen zu dürfen.

Emil, der Erstgeborene, ist zweieinhalb Jahre alt. Auch bei der ersten Schwangerschaft wurde meine Tochter Sarah von den beiden Hebammen Lisa und Renate liebevoll, kompetent und vor allem, was ich sehr besonders finde, ganzheitlich betreut!

Sie wurde in allen fachlichen Dingen sehr gut beraten, ihre eigene Wahrnehmung und ihre Intuition für sich und das Baby wurde ins Bewusstsein geholt, verstärkt und gestärkt.

"Frau als werdende Mami ist eine neue Aufgabe und wird in unserer schnelllebigen und technisierten Welt immer schwerer zu entdecken und zu leben. Die Weitergabe früher in den Großfamilien kann heute leider in dieser Form nicht mehr stattfinden, umso wertvoller ist die „Begleitung“ der Hebammen."

Corona ist nicht der ausschlaggebende Punkt für die Hausgeburt gewesen, sondern vielmehr die natürliche Entbindung des Babys im eigenen Heim. Dass es eine Geburt in der Badewanne werden würde, damit hatte keiner gerechnet. Nachdem meine Tochter sehr lange damit gewartet hatte, ihre Hebamme Lisa anzurufen, dauerte es nach deren Ankunft nur 40 Minuten bis die süße Anna Elise im warmen Badewasser geboren wurde.

Emil und ich waren in dieser Zeit „Bagger schauen“ und haben lange im Wald gespielt und erst als uns der Regen zu stark wurde, sind wir zurück gegangen und da war das Baby schon da. Bis in Ruhe die Erstversorgung von Mutter und Kind gewährleistet war, spielten wir in einem anderen Zimmer. Irgendwann konnte Emil es allerdings nicht mehr aushalten und wollte seine Schwester endlich kennenlernen. Benedict, sein Vater, hatte dies intuitiv gespürt und kam ihn sogleich holen.

Meinen zaghaften Vorschlag, Sarah zu fragen, ob ich das Baby vielleicht auch sehen dürfte, nahm er mit einem spitzbübigen Lächeln entgegen und verschwand. Nach wenigen Minuten, die mir wie eine kleine Ewigkeit vorkamen, holte er mich….. und ich kann gar nicht in Worte fassen, wie es war, die kleine Anna Elise zum ersten Mal zu sehen, Tränen in den Augen und ein unendliches Glücksgefühl durchströmten mich. Dann die strahlenden Augen meiner Tochter und Lisa……..wunderbar.

Ich blieb noch weitere vier Tage bei der jungen Familie und freute mich riesig, täglich die neue Erdenbürgerin in ihrer Umgebung zu erleben. Einmal hat Anna Elise zweieinhalb Stunden friedlich auf meinem Bauch geschlafen, Glücksgefühl pur.

Die Betreuung und die Erklärungen von Lisa fand ich sehr interessant und auch wenn ich selber Mutter von zwei erwachsenen Kindern bin, habe ich doch noch einiges neues dazulernen können.

An meinem letzten Aufenthaltstag verabschiedete ich mich von Lisa, die ich nun in den letzten fünf Tagen im liebevollen, achtsamen, kompetenten und unaufdringlichen Umgang mit Mutter und Baby kennengelernt hatte. Ihre Aussage „So wünsche ich mir das Wochenbett für Frauen, dass diese von ihren Müttern bemuttert werden, um selbst zu wissen, wie bemuttern funktioniert!“ klingt noch weiterhin in mir nach.

DANKE ALLEN, DASS ICH DIES MITERLEBEN DURFTE !!!!!!!!!


Meine eigene Geburt

Was an dieser Stelle noch schön ist zu erzählen, ist meine eigene Geburt. Denn auch ich wurde zu Hause geboren, wenngleich dies nicht beabsichtigt war.

Meine Mutter, damals 21 Jahre alt, war mit mir zum zweiten Mal schwanger. Mein Bruder Dario war ganze elf Monate älter als ich. Nachdem sie die ganze Nacht Wehen gehabt hatte, diese allerdings nicht als Wehen wahrgenommen, ging sie noch einmal zur Toilette, sagte meinem Vater, er solle meiner Oma Bescheid geben, dass sie jetzt ins Krankenhaus fahren würden. Daraus wurde allerdings nichts, den Umstandsrock hatte meine Mutter zwar schon angezogen, schaffte es dennoch nur bis zum Bett, mit Rock, welchen sie immer noch an hatte, zwei drei Presswehen und ich war schon da! Wie eine Bombe, sagt sie.

Meine Oma, die nun auch dazugekommen war, nahm mich samt der Nabelschnur und legte mich neben meine Mama. Mein Vater war natürlich im Flur, denn es war absolut nicht üblich, dass der Mann bei dieser Angelegenheit anwesend sein durfte. Da im Schlafzimmer kein Licht war und meine Mutter gefragt hatte, was es denn sei, antwortete meine Großmutter „Ich glaub, es ist ein Mädchen.“

"Wie wunderbar, dass die Väter dies heute selber machen dürfen". Mein Vater musste zu Nachbarn gehen, um von dort aus den Hausarzt anzurufen, damit dieser die Nabelschnur durchtrennen sollte. Was mich besonders freut ist, dass mein Vater die Plazenta in unserem Garten vergraben hat, dies war bei meinem Bruder und bei meiner kleinen Schwester Jutta, die fünf Jahre später im Krankenhaus geboren wurden, nicht möglich.
 

Die Hausgeburt meiner kleinen Schwester

Allerdings hat meine kleine Schwester dann 40 Jahre später die Tradition der Hausgeburt fortgesetzt und ihr zweites Kind im Wohnzimmer bei Kerzenschein entbunden. Bei diesem wunderbaren Erlebnis durfte ich tatsächlich dabei sein und es ist eines der schönsten Erlebnisse meines Lebens. Dies ist jetzt elf Jahre her und ich habe damals schon gesagt:

"Ich wünsche jeder Frau und jedem Baby die Möglichkeit so liebevoll und behutsam auf die Welt kommen zu dürfen."

Anna Elise durfte es auch und dies ist nur möglich gewesen, weil es Lisa und Renate gibt! Und hoffentlich gibt es auch noch viel mehr Hebammen, die sich entscheiden, Haus -geburten zu begleiten.

Euch ein Dankeschön aus tiefstem Herzen, Ingrid